Happy Endings.
Im Winter vor zwei Jahren stach mir im Hamburger Strenesse Shop ein Schal in die Augen: hellgrau, gestrickt in einem simplen Rippmuster, ungefähr 30 cm breit und mindestens 2,50 m lang - aus superdickem, reinen Kaschmir. Ein Traum, aber leider sehr, sehr teuer. Ich hatte zu dieser Zeit gerade angefangen, selbst zu stricken, und der Gedanke, einen ähnlichen Schal nachzustricken, ließ mich nicht los. Noch im Zug auf der Rückfahrt habe ich mir das Muster notiert und aufgezeichnet und überlegt, welches Garn in Frage käme. Entschieden habe ich mich für Cashmerino Superchunky von Debbie Bliss und einen Tag später gleich fünf Knäuel davon in beige bestellt. Nun ist Beige für mich eine eher schwierige Farbe, eine klitzekleine Abstufung reicht mitunter aus, um mein Missfallen hervorzurufen. So war es leider auch mit diesem Ton, und da ich noch umtauschen konnte, habe ich aus dem gleichen Garn ein Rosenrosa genommen und den Schal für meine beste Freundin gestrickt, die liebt nämlich Rosa. Der fertige Schal war schön, nicht ganz so lang zwar wie das Original, ansonsten aber sehr ähnlich. Einziger Minuspunkt: Cashmerino enthält nur wenig Kaschmir (oder nach den aktuell kursierenden Gerüchten überhaupt keines), und ist daher nicht annähernd so leicht und luftig. Für die Version mit den Maßen von Strenesse, die mir gerade so gut gefiel, weil sie überproportioniert wirkte, hätte ich mindestens acht bis zehn Knäuel gebraucht, und absehen vom stolzen Preis dafür, wer hängt sich schon gern ein Kilogramm Schal um den Hals?
Im Sommer letzten Jahres endeckte ich, mehr oder weniger im Vorbeigehen, im Wollgeschäft an der Ecke ein grünes Dochtgarn. Es war ein Rest Tahoma, eine Merino-Alpaka-Mischung von Lang, die wohl schon eine Weile nicht mehr in deren Programm ist. Ich habe mich gleich an den Schal erinnert - er ist übrigens, in jeweils neuen Farben, seit zwei Jahren in jeder Winterkollektion von Strenesse vertreten und daher nie ganz aus meinem Gedächtnis verschwunden - und spontan fünf Knäuel á 50 g gekauft. Und sogar gleich angestrickt. Tahoma ist ein recht dickes Garn, nicht ganz so voluminös, wie ich es mir gewünscht hätte, aber unglaublich leicht und weich, und dazu sehr angenehm zu verstricken. Die fünf Knäuel waren schnell verbraucht. Um einen wirklich langen Schal zu haben, hätte ich aber noch ein oder zwei weitere gebraucht. Leider meinte das Glück es nicht gut mit mir, der Wollladen hatte in der Zwischenzeit einen Räumungsverkauf begonnen, und Tahoma war diesem offenbar als erstes zum Opfer gefallen.
Eine Suche im Internet brachte mich zum Shop von Wollart, die das Garn noch in Grün führten. Sie hatten auch andere Raritäten, wie Felted Tweed in lange ausgelaufenen Farben, also habe ich sofort bestellt und gleich per Paypal bezahlt. Und dann gewartet. Eine Woche, zwei Wochen, drei Wochen. Ein Anruf schließlich brachte die Mitteilung, dass meine Bestellung nicht eingegangen wäre und meine Zahlung offenbar in der Flut der Spammails untergegangen sei. Ich habe dann noch einmal bestellt, dazu eine freundliche, erklärende Mail geschrieben. Wieder keine Reaktion. Erst Ende des Jahres erhielt ich eine Antwort, die entsprechenden Garne seien leider nicht lieferbar. Auf meinen Hinweis, dass sie im Online-Shop noch immer als verfügbar gelistet wären, antwortete mir die Inhaberin, dass ihr das leid täte, sie sich aber in erster Linie um ihren Laden kümmern müsste und so für das Internet nicht genügend Zeit bliebe. Leider fand sie auch keine Zeit, mein Geld zurückzuschicken, so dass ich den langen Weg über die Paypal-Beschwerde wählen musste und nun erst im Januar den Betrag mit der Kreditkarten-Abrechnung erstattet bekomme.
Die Rettung brachte wie so oft eBay, ein Shop hatte Tahoma in der richtigen Farbe und ausreichender Menge vorrätig. Innerhalb weniger Tage hielt ich zwei frische Knäuel in den Händen und der Schal wurde beendet. Ich bin wirklich froh darüber, denn er gefällt mir sehr: er ist schön lang geworden, mit 350 Gramm aber nicht zu schwer. Man kann ihn problemlos mehrfach um den Hals wickeln ohne in Erstickungsgefahr zu geraten, und das Moosgrün ist ein netter Farbklecks zwischen den dunklen Wintertönen, die sonst meinen Schrank bevölkern. Allerdings ist auch dieser Schal dem lange bewunderten Original nur ähnlich. Ich denke, für reines Kaschmir gibt es einfach keinen Ersatz. Um das gute Ende aber perfekt zu machen, habe ich kurz vor Weihnachten bei eBay den Strenesseschal entdeckt und - praktisch als Geschenk an mich selbst - doch noch erstanden, so dass die schallosen Zeiten nun endgültig für beendet erklärt werden können.
Der Schal ist übrigens noch nicht gespannt worden. Ich habe es gestern, kurz bevor ich die Fotos aufnahm, mit Dämpfen versucht, was aber nur dazu geführt hat, dass die Enden etwas weiter als der restliche Schal sind. Die harte Tour, mit Einweichen und Feststecken, steht mir also noch bevor. Mir graut etwas davor, da ich das Gezerre an nassen Strickstücken nicht besonders schätze. Habt ihr eventuell einen Vorschlag, wie ich das umgehen kann?
clickclack - 15. Jan, 12:05